Die Uraufführung des wohl berühmtesten Oratoriums Georg Friedrich Händels, des „Messias“ oder im Original „Messiah“, fand am 24. April 1742 in Dublin statt, und es waren gleich mehrere karitative Zwecke, denen der Erlös dieses Benefizkonzertes zufließen sollte: Ein wesentliches Ziel war das Freikaufen von Gefangenen, oft Familienvätern, die wegen vergleichsweise unbedeutender Fälle von Zahlungsunfähigkeit im Schuldgefängnis einsaßen einem Ort freilich, von dem aus sie erst recht nicht in der Lage waren, die für die Forderungen der Gläubiger nötigen Mittel zu erwirtschaften. So war es damals keine Seltenheit, dass Kinder aus barer Not in die Kriminalität getrieben wurden, nur um das Überleben ihrer Familien zu sichern. Der übrige Teil des Erlöses aus der „Messiah“-Uraufführung, während deren die Besucher in „Neale's Great Musick Hall in Fishamble Street“ dicht gedrängt standen, ging an wohltätige Einrichtungen. Auf dem Weg zur Basilika des Klosters Eberbach, in der die Junge Kantorei und das Frankfurter Barockorchester unter der Leitung von Joachim Carlos Martini nun den „Messiah“ in der Reihe ihrer traditionellen Pfingstkonzerte aufführten, zeigten schier endlose Menschenströme, dass das Interesse an Händels Werk keineswegs geringer geworden ist. Selbstredend erklang der „Messiah“ unter der Leitung des stets nach größtmöglicher Authentizität strebenden Martini in der Originalsprache, wobei die klare Textartikulation und die stimmliche Leichtigkeit des Chors das Zuhören zum Vergnügen machten. Fernab irdischer Schwere agierten Chor und Orchester in perfekter klanglicher Verschmelzung, wobei auch die solistischen Partien mit geradezu kammermusikalischer Sensibilität und Gewandtheit vom Orchester begleitet wurden. Für diese Auffassung des „Messiah“ hätte man wohl kaum geeignetere Solostimmen auswählen können: Gerlinde Sämanns glockenreinen, in der schlichten Intensität des Ausdrucks oft anrührenden Sopran, den wundervoll schlank geführten Altus Alex Potters, dessen ausdrucksstarker Textdeklamation mitunter etwas Beschwörendes anzuhaften schien, Knut Schochs lyrischen Tenor mit seiner ungekünstelten Expressivität und Peter Koojis ebenso kräftigen wie flexiblen Bass. Die Zuschauer applaudierten im Stehen dieser großartigen Aufführung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Juni 2009
Joachim Wormsbächer