Es mag schon ein wenig kühn anmuten, einen Eroberer aus dem vierten Jahrhundert vor Christus und eine heiliggesprochene Märtyrerin aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert in ein und demselben Werk zu feiern. Der englische Dichter John Dryden (16311700) sah darin offenbar kein Problem: Um 1692 lässt er in seiner Ode „Alexander's Feast“ Alexander den Großen und die heilige Cäcilia einander gegenübertreten. Und als ob er geahnt hätte, dass Georg Frierich Händel das Werk etwa vierzig Jahre später vertonen würde, versah er es mit dem alternativen Titel „The Power of Musick“. Die Macht der Musik wird hier gleichsam in doppelter Hinsicht vorgeführt.
Mit „Alexander's Feast“ HWV 75 gestalteten Joachim Carlos Martini und die Junge Kantorei den ersten Teil ihres Konzertes in der Basilika des Klosters Eberbach, und da die heilige Cäcilia in diesem Stück, obwohl es zu ihren Ehren verfasst wurde („wrote in honour of St. Cecilia“), im Grunde nur kurz am Ende der Komposition in Erscheinung tritt, lag es nahe, Händels zweite Cäcilien-Komposition, die „Ode for St. Cecilia's Day“ HWV 76, in der zweiten Hälfte des Konzertes anzuschließen. Die Junge Kantorei erlebte man in stimmlicher und musikalischer Hochform: Mit großer Leichtigkeit und klanglich wundervoll ausgewogen gestalteten die Sängerinnen und Sänger die Chöre der beiden Kompositionen, das sehr sensibel und überaus agil agierende Barockorchester Frankfurt schien mit seiner farbenfreudigen, klar konturierten Klanglichkeit die Vokalstimmen gleichsam auf Händen zu tragen. Mit großer Liebe zum Detail arbeitete Joachim Carlos Martini lautmalerisch illustrierende und tonsymbolische Stellen heraus, so etwa den „rattling peal of thunder“ mit seinen dominanten Pauken oder die Klänge in tiefer Lage, die Händel den Geistern der gefallenen Griechen zuweist.
Die Vokalsolisten hätte man besser wohl nicht auswählen können: Anrührende Eindringlichkeit sprach aus dem nuancenreich gestalteten Vortrag der Sopransolistin Gerlinde Sämann, Knut Schoch gefiel in den Tenorpartien durch die plastische Deklamation und die frische, unmittelbar ansprechende Präsenz seines Vortrags. Der Bass Klaus Mertens zeigte sonores Timbre und durchschlagendes Metall, das er in den Dienst klarer Linienführung stellte. Der schier nicht enden wollende Beifall zeigte den Musikern Anerkennung und Sympathie ihres Publikums an.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Mai 2008
Joachim Wormsbächer